Programm

14-04-2015 (Dienstag)

LebensBilder: "Im Abendlicht" Stephan Hermlin (1915-1997) zum 100. Geburtstag. Vorgestellt von Jürgen Tomm

20:30

Über kaum ein autobiografischgeprägtes Stück Literatur wurde so vehement gestritten wie über StephanHermlins Prosaband "Abendlicht", erschienen 1979 im Verlag KlausWagenbach. Über dem Vorwurf, er habe seine Biografie mit erfundenergroßbürgerlicher Herkunft, erfundener Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg,erfundener KZ-Haft etc. ungebührlich aufgewertet, und dem Gegenargument einer"vorgestellten Biografie" gerieten die vielfältigen LeistungenStephan Hermlins beinahe aus dem Blick: Als Dichter knüpfte er nicht zufälligan die Sprache Hölderlins an, um der deutschen Zerrissenheit nach 1945 einePerspektive zu geben; als geschmeidiger Kulturfunktionär der DDR nutzte erjeden Spielraum, um die gewollte Spaltung der Literatur in Literatur Ost undLiteratur West zu überbrücken.  Der junge Kommunist Hermlin,aufgewachsen in jüdischem Elternhaus in Chemnitz, machte nach Emigration undRückkehr nach Deutschland sehr rasch Karriere im Kulturbetrieb der DDR, sprachauf vielen Kongressen, reiste jahrzehntelang durch die Welt und suchte dochimmer die Herausforderung im Ausloten von Möglichkeiten jenseits der Doktrin.Er protestierte und behielt gleichwohl alle Privilegien, er bekam Ämter undverlor sie wieder, er setzte sich ein, oft vergeblich. Erbe spätbürgerlicherKultur und zugleich Kommunist zu sein, war für ihn kein Widerspruch.Zu Hermlins 100. Geburtstagerscheint bei Wagenbach eine Neuauflage von "Abendlicht". Im Buchhändlerkellerlässt Jürgen Tomm Stationen seines Lebens und Wirkens nachvollziehbar werden.