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Erich Kästner war vielgelesener Kinderbuchautor mit pädagogischer Verve, melancholischer Lyriker und scharf beobachtender Chronist des großstädtischen Tanzes auf dem Berliner Vulkan der hedonistischen Weimarer Gesellschaft.
Der im Jahre 1899 in Dresden geborene Kästner war aber vor allem ein politischer Dichter; selbst für das Leben gezeichnet durch unmenschlichen militärischen Drill, wurde er im Ersten Weltkrieg zum Pazifisten; in seinen Gedichten brachte er das Lebensgefühl seiner verlorenen Kriegsgeneration ebenso bissig zur Sprache wie den Zynismus und der Dummheit des militärischen und politischen Kaste, die dieses Grauen vor Verdun und Ypern zu verantworten hatte.
Als Autor fühlte er sich keiner politischen Programmatik verpflichtet: „Ich hasse Ideologien, welcher Art sie auch immer sein mögen.“ Gefühlsmäßig immer zwischen den Fronten und den Parteien, wurde er zu einem ironischen Beobachter von der Seitenlinie, den pessimistisch-melancholischen Grundton seiner politischen Gedichte und seines bekanntesten Romans - des „Fabian“ – begründet er selbst mit der am politischen Niedergang der Weimarer Republik ablesbaren Vergeblichkeit auch seiner politisch-pädagogischen Bemühungen um eine von Vernunft, Menschlichkeit und Moral bestimmte Gesellschaft und eine an demokratischen Grundwerten orientierte Politik.
Als im Jahre 1933 auch seine Bücher auf dem Universitätsplatz verbrannt wurden, war er wiederum Augenzeuge und blieb dies – in Deutschland – bis zum Ende der Diktatur. Seine Bücher erschienen weiter in der Schweiz, er wird mit Schreibverbot belegt und schlägt er sich durch mit unter Pseudonym verfassten Drehbüchern für die UFA.
Nach dem Ende der Nazidiktatur nahm er sein politisch-moralisches Erziehungswerk wieder auf, schriebt für die ersten deutschen Zeitungen, das Kabarett, engagierte sich gegen die Wiederbewaffnung und die atomare Aufrüstung der Bundesrepublik, verstummte jedoch mehr und mehr – desillusioniert von der politischen Wirklichkeit der Bundesrepublik.
Frank Arnold und Hartmut Mangold versuchen anhand von Texten Kästners aus fünf Jahrzehnten den „politischen Kästner“ lebendig werden zu lassen.