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In der Reihe: Fanal und Ernüchterung - Kunst und Gesellschaft nach 1914/18:
Die berühmten Goldenen Zwanziger Jahre waren so golden nicht, aber das Theaterleben konnte sich nach dem Ende des Weltkriegs, dem Abdanken der Monarchie und dem Wegfall der Zensur, gegen die neuen Krisen, gegen Inflation und das schnelle Wiedererstarken von Militär und Nationalismus doch gut behaupten und eindrücklich in Szene setzen. Das Theater in Berlin mit den Aufführungen von Max Reinhardt, Leopold Jessner, Erwin Piscator und nicht zuletzt Bertolt Brecht war dem revolutionären russischen Theater ebenbürtig.
Neben festlichem Glanz, formalen Kühnheiten und stofflichen Sensationen gab es eine solide Basis von literarisch geprägter Theaterkultur und eine zeitgenössische Dramatik (Brecht, Horváth, Lasker-Schüler, Jahnn, Bruckner, Barlach, Fleißer, Kaiser, Bronnen), der es nicht so sehr um das Repräsentative ging, sondern um Ideen, dichterische Welten, utopische Entwürfe und Auseinandersetzungen mit gesellschaftlicher Wirklichkeit.
Es war zugleich die Theaterarbeit eher "stiller" Regisseure, für die das Theater ein Laboratorium sozialer Fantasie darstellt, in dem Schauspieler die Aufgabe übernehmen, das dynamisch Geistige, die Versinnlichung und das Bewirkende der Kunst szenisch zu verkörpern: Die Inszenierungen von Jürgen Fehling, Erich Engel, Berthold Viertel, Gustav Hartung, Heinz Hilpert, Karl Heinz Martin.