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In der ErzählBar wird der Gast nach seinem Leben befragt, seinen Bedingungen, seinen Brüchen, seiner Unverwechselbarkeit. Lebensgeschichte als Zeitgeschichte.
Bei Roswitha Quadflieg aber muss nach vielen Leben gefragt werden. Zwei hatte/hat sie selbst und 18 Jahre lang gleichzeitig:
Geboren als Tochter des Schauspielers Will Quadflieg in Hamburg, studierte sie dort 1969-74 Malerei, Grafik und Typografie an den beiden Hamburger Hochschulen. 1973 gründete sie ihre eigene Druck- und Verlagswerkstatt, die Raamin Presse, und brachte in drei Jahrzehnten 28 Drucke nach Texten der Weltliteratur mit eigenen Originalgrafiken heraus - längst vergriffene Sammlerstücke in öffentlichem und privatem Besitz im In- und Ausland. Sie arbeitete auch als Illustratorin; ihre Bilder zu Michael Endes "Unendlicher Geschichte" kennen alle Kinder.
1985 aber erschien, nach Veröffentlichungen einzelner Texte, ihr erster Roman, Der Tod meines Bruders, die Rekonstruktion eines unangepassten Lebens in der eigenen Familie, in der eigenen Zeit. In vergleichbarer akribischer Spurensuche und Recherche erforschte Roswitha Quadflieg dann fremde, reale Lebensläufe und verwandelte sie in literarische: u.a. Wer war Christoph Lau, 1996, Requiem für Jakob, 2004, Der Glückliche, 2009, KönigsSohn, 2012 und zuletzt Neun Monate. Das Sterben meiner Mutter, 2014. Manche Stoffe dieser Bücher gestaltete sie auch als Hörspiele oder Theaterstücke. Kürzere Texte erscheinen in rascher Folge in ihrem Blog. Im Gespräch mit Jürgen Tomm wird es an vielen Schicksalen um die Frage gehen: Leben wir unser Leben oder lassen wir uns leben?