Programm

24-10-2017 (Dienstag)

"Wie starb Pier Paolo Pasolimi? Ein LebensBild des Filmregisseurs, Dichters und Publizisten mit Jürgen Tomm.

20:30

Als der Filmregisseur und Schriftsteller Pier Paolo Pasolini 1975 am Strand von Ostia bei Rom von dem 17jährigen Stricher Pino Pelosi - nach eigenem Geständnis - erschlagen und überfahren wurde - ein Tod, der eine grausame Parallele in der Ermordung des deutschen Archäologen Johann Joachim Winckelmann gut 200 Jahre früher bei Triest hat - verloren die Intellektuellen und Künstler Italiens einen ihrer ganz Großen, während die Reaktion und die Wächter der bürgerlichen Moral unverhohlen frohlockten.

Doch sofort drängten sich Zweifel an der Alleintäterschaft Pelosis auf. Der Verdacht vieler Intellektueller richtete sich einerseits gegen den italienischen Geheimdienst und andererseits gegen rechtsradikale Schläger als dessen Werkzeuge. Pasolinis letzte Recherchen über die Verwicklung des Geheimdienstes in Terrorakte bestätigten sich in einer Staatskrise von 1990, und Pelosi widerrief später sein Geständnis und wies auf fünf unbekannte Personen hin. 2010 wurde der Prozess tatsächlich wieder aufgenommen, 2015 aber eingestellt. 40 Jahre nach der brutalen Ermordung ließen sich keine verwertbaren Spuren finden. Pelosi starb im Juli 2017.

Der Hass, mit dem die italienische Justiz und die Katholische Kirche Pasolini jahrzehntelang verfolgten, entsprach seiner Wut auf die Ungleichheit der gesellschaftlichen Verhältnisse und die verlogene Moral des Bürgertums. Mit der Leidenschaftlichkeit einer großen Künstlerpersönlichkeit spannte er sich und seine Fantasie zwischen die Pole Marxismus und Katholizismus, Homosexualität und die Suche nach einem neuen Subproletariat für die Erneuerung der Gesellschaft. Das Ergebnis waren in ihrer Art einzigartige Filme, Romane, Gedichte und Schriften - und mehr Prozesse, als sie wohl jedem anderen widerständigen Künstler auferlegt wurden. Obszönität, Sodomie, Blasphemie - zusammen genommen hat die Verteidigung vor Gericht Pasolini etliche Jahre gekostet. Die Manipulation seiner Ermordung war die allerletzte Rache dieser gekauften Justiz.