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„Ich bin der Zweite Weltkrieg”, pointierte der niederländische Schriftsteller Harry Mulisch ironisch seine Biografie: Während sein Vater, ursprünglich österreichischer Offizier, zur Zeit der deutschen Besatzung der Niederlande in einer deutschen Bank mit der Arisierung jüdischer Vermögen betraut war, arbeitete seine Mutter, aus einer Frankfurter Bankiersfamilie stammend, im Amsterdamer Judenrat. Nach der Scheidung der Eltern 1936 pendelte das Kind zwischen den beiden Lebenswelten. 1961 war Mulisch Beobachter beim Jerusalemer Eichmann-Prozess, 1986 wurde sein Roman „Das Attentat” um Kollaboration und Widerstand in Holland zu einem Welterfolg. Die Verfilmung errang ein Jahr später einen Oscar.
Mulisch, geboren 1927 in Haarlem, begann mit 20 zu veröffentlichen und schuf ein unfangreiches Oeuvre aus Erzählungen, Romanen, Gedichtbänden und Essays sowie philosophischen Werken. Philosophische, kosmologische und mythologische Aspekte prägten auch sein zweites Hauptwerk, „Die Entdeckung des Himmels” (1992). In jungen Jahren stand er der Amsterdamer Protest- und Friedensbewegung nahe, später meldete er sich auf Foren zur europäischen Kultur und Politik eindrucksvoll zu Wort. Er starb 2010.