23-09-2014 (20:30)
Seine Erlebnisse im 1. Weltkrieg machten Ernst Toller zum Pazifisten und Sozialisten - und zu einem wahrhaft gefeierten Dramatiker der Weimarer Republik. Die Premieren seiner hochexpressionistischen Stücke "Masse Mensch", "Die Maschinenstürmer", "Hinkemann" waren sensationelle Erfolge und Skandale zugleich - und fanden doch ohne ihn statt: Von 1919 bis 1923 saß Toller wegen seiner maßgeblichen Beteiligung an der gescheiterten Münchner Räterepublik im Zuchthaus, am längsten in der Festung Niederschönenfeld. Die Antisemiten freilich hassten ihn. Nach der Revue "Hoppla, wir leben", die 1927 Erwin Piscators Theater am Nollendorfplatz eröffnete, schossen sich Nazis und Reaktionäre endgültig auf ihn ein. Als sie 1933 an die Macht kamen und seine Bücher verbrannten, war Toller schon im Exil. Von nun an warnte er als Autor ("Eine Jugend in Deutschland", 1933) und als charismatischer Redner in aller Welt vor der Kriegsgefahr, die von den Nazis ausging. Den spanischen Bürgerkrieg sah er als deren Generalprobe und organisierte gigantische Hilfsaktionen für die hungernde spanische Bevölkerung. Lange war er die optimistische, kraftvoll-kämpferische Stimme der Zivilisation gegen die Barbarei, am Ende aber war er die Verkörperung eines verzweifelten humanitären Gewissens in einer Welt, die ihre Zukunft nicht sehen wollte. Als die westlichen Staaten mit Franco den Sieg über die spanische Republik geradezu feierten, wählte Toller am 22. Mai 1939 in seinem New Yorker Hotel den Freitod und schockte damit die Emigranten überall auf dem Globus. Ein Vierteljahr später begann die Katastrophe des 2. Weltkriegs.
75 Jahre nach seinem Tod und 95 Jahre nach der Münchner Räterepublik erinnert Jürgen Tomm mit einem "LebensBild" an den Schriftsteller und Revolutionär Ernst Toller.