Lothar Müller liest aus "Freuds Dinge. Der Diwan, die Apollokerzen & die Seele im technischen Zeitalter"

02-04-2019 (20:30)

Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2019.

Freuds Dinge spürt jenen Gegenständen nach, die die bürgerliche Lebenswelt im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert bevölkerten, als Sigmund Freuds Psychoanalyse entstand. 

Ob Instrumente medizinischer Laboratorien, Möbel oder Kinderspielzeug, Götterfiguren aus Gips und Marmor in Sichtweite des legendären Diwans oder Schreibgeräte wie der "Wunderblock"– die Warenwelt des technischen und industriellen Zeitalters verwandelt sich bei Freud in "Traumdinge", die den Träumenden einladen, durch Name oder Gestalt seine Erinnerungen, Wünsche oder Ängste zu offenbaren.

Das Inventar des modernen, von Mechanisierung und Elektrifizierung geprägten Alltags, ist in Freuds Fallgeschichten und Deutungen eingewoben, es spielt wie die antike Mythologie eine tragende Rolle in der Erforschung des "seelischen Apparats". So lassen sich Freuds Schriften nicht nur als Aufdeckung des Verdrängten und Entzifferung des Unbewussten lesen, sondern zugleich als Geschichte des Zusammenspiels von Dingwelt und Seelenleben im bürgerlichen Zeitalter.

Lothar Müllers verblüffende Neulektüre wirft einen überraschenden Blick auf Sigmund Freuds epochale Deutungskunst und geht der Geschichtlichkeit des Unbewussten nach. 

Lothar Müller
, geboren 1954, ist Literaturkritiker, Literaturwissenschaftler, Journalist und Autor. Er ist Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitungmit Sitz in Berlin, Preisträger des Alfred-Kerr-Preises (2000), des Johann-Heinrich-Merck-Preises (2008) und des Berliner Preises für Literaturkritik (2013) sowie Autor zahlreicher Bücher (zuletzt 2012: Weiße Magie. Die Epoche des Papiers). Seit 2010 ist er Honorarprofessor an der HU Berlin.

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