Marianne Suhr liest aus ihrer Novelle "Fremde Vögel"

07-12-2016 (20:30)

Bevor es 2014 begann, dass Flüchtlinge in großer Zahl kamen, lebte man in Deutschlands Landschaften in relativer Ruhe. Die letzte Unterbrechung von 1989, als auch viele Fremde kamen, war nicht vergessen, aber die Folgen haben sich regeln lassen. Man sprach ja deutsch miteinander. Naturkatastrophen dagegen waren immer schon kein ausreichender Anlass zur Aufregung: Überschwemmungen, Herbst- und Frühjahrsstürme, manchmal auch heftige mitten im Sommer - die Dorfbewohner nahmen alles gelassen hin, als erwartbare, wiederkehrende Ereignisse, die dem Leben Rhythmus geben. Als 2013 ein Haus brennt, ganz in der Nähe der großen Überschwemmungen an der Elbe in jenem Sommer, ist die Ruhe gestört und das Ereignis Anlass für Verdächtigungen, denn inzwischen sind Flüchtlinge in der Nähe, ganz und gar Fremde, anders als die unbekannten Nachbarn im nächsten Dorf, die auch fremd geblieben waren, aber wie wir sind. Die Berliner Journalistin Luisa lebt nicht in der Dorfgemeinschaft, doch das abgebrannte Haus gehört ihrem Cousin Ludwig, der sie um Beistand bittet. Sie erfährt in dieser Woche auf dem Dorf Menschengeschichten und hört Gerüchte, versucht zu verstehen und fasst einen Entschluss. Die aktuelle Stimmung in diesem Jahr wird eingefangen, und die Suche nach den Brandstiftern endet mit verblüffendem Ergebnis. „Fremde Vögel“ – eine Zeitstudie am besonderen Ort.

Marianne Suhr, geboren 1939 im Havelland, flüchtete mit 18 Jahren in den Westen Deutschlands. Sie holte das Abitur nach, studierte Soziologie und Philosophie, promovierte an der Technischen Universität Berlin, arbeitete dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und engagierte sich politisch. Von 2001 bis 2011 war Marianne Suhr Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin. Seit 2004 veröffentlichte sie fünf literarische Bücher. Sie hat drei erwachsene Kinder und lebt in Berlin.

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