Prof. Michael Wildt spricht über 1918 - eine verratene deutsche Revolution?

29-01-2019 (20:30)

Die Historiker sind sich weitgehend einig: die Umwälzung vor genau 100 Jahren wareine Revolution. Sie löste das Kaiserreich zugunsten der ersten deutschen parlamentarischen Demokratie ab. Eine historisch nicht hoch genug einzuschätzende epochale Veränderung.
Wer hätte denn da was verraten? Für eine eher links-orientierte Geschichtsschreibung war es in erster Linie die Mehrheitssozialdemokratie mit Ebert und Scheidemann an der Spitze. Sie soll – so die Einschätzung – die revolutionäre Dynamik hin zu einer Rätedemokratie nach russischem Vorbild unterdrückt und sich dabei u.a. der gewalttätigen Hilfe der reaktionärer Freikorps bedient haben. Aber sprach sich nicht sogar die große Mehrheit der deutschen Arbeiter- und Soldatenräte auf ihrem Kongress für eine Nationalversammlung als Grundlage und Beginn einer repräsentativen Demokratie aus? Und war die Ablehnung eines schon erkennbar gewalttätigen autoritären Systems nach russischem Vorbild nicht nachvollziehbar? Gab es denn überhaupt jemanden der tatsächlich die Macht hatte die Entwicklung zu steuern? Wie stark beeinflusste die verworrene internationale Situation im Gefolge des Kriegsendes mit dem späteren Abschluss des Versailler Vertrages die Entwicklung?
Solche Fragen lassen sich heute leicht stellen - zieht man in Betracht, was für eine Fülle von Ereignissen damals zeitgleich aufeinander prallten, muss man eindeutigen Antworten gegenüber skeptisch sein.

Michael Wildt spricht über die Geschehnisse und Zusammenhänge.
Als Historiker ist er seit 2009 Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. 

Zurück