Thomas Josef Wehlim liest aus seinem Roman "Eisenbahnzüge"

07-10-2015 (20:30)

Vakho schlief ein. Als er erwachte, fuhr sein Zug durch riesige Felder. Vakho aß sein letztes Brot. Sein Durst wurde unerträglich. Nach einer Weile sah er ein Melonenfeld. Er musste es wagen. An einer Stelle, die sehr dicht mit Gras und Gestrüpp bewachsen war, sprang er ab. Sobald seine Füße den Boden berührten, rollte er sich ab. Es ging gut. Er hatte nur einige Schrammen an Knien und Ellbogen. Er aß saftige Melonen. Nie hatten Melonen so herrlich geschmeckt. Als hätte sich in diesen roten, wässrigen Früchten alles Glück der Erde verdichtet. Er schlief ein inmitten der Melonen. Am nächsten Tag sprang er wieder auf einen Zug. Er war nun ein Schienenjunge.

»Eisenbahnzüge« erzählt über den Mythos und die Realität des Zweiten Weltkriegs aus der ungewöhnlichen Perspektive dreier Eisenbahngeschehnisse: Ein junger Mann entdeckt im Haus seines Großvaters eine riesige Holocaust-Modellbahnanlage Maßstab N. Ein ukrainischer Junge schließt Freundschaft mit einem deutschen Eisenbahn-Soldaten während des Russland-Feldzuges. Ein ungarisch-jüdisches Mädchen wird 1944 mit ihrer Mutter auf einem Zugtransport an den dunkelsten Ort der deutschen Geschichte deportiert. Und alle drei Handlungsstränge fügen sich schließlich zusammen zu einer Geschichte aus Schuld,Ohnmacht und Hoffnung.

 Moderation: Lore Kleinert

 Thomas Josef Wehlim, geb. 1966 in Witten. Vater Deutscher, Mutter Engländerin. Kindheit und Jugend im Rheinland. Studium in Mainz. Seit 1996 wohnhaft in Leipzig.

Prosa, Lyrik, Theaterstücke. Veröffentlichungen in zahlreichen Literaturzeitschriften und Anthologien. 2. Preis Irseer Pegasus Januar 2011 (für Kurzprosa).

Gastveranstaltung der Edition Rugerup, Berlin

 

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