11-08-2015 (20:30)
1995 erinnerte eine Ausstellung in der Akademie der Künste (West), kuratiert von Klaus Voigt, an das Exil vieler "rassisch verfolgter" Künstler ausgerechnet in Mussolinis Italien. "Auf der Flucht vor dem Faschismus in ihrem Vaterland kamen sie nach Italien, ins Vaterland des Faschismus." Die Lebensart und Humanität der Italiener aber verweigerte sich dem Rassenwahn Hitlers und seiner Ideologen und nahm die Flüchtlinge bereitwillig auf. Die fühlten sich relativ sicher, und es ging ihnen bescheiden gut.
Im Zuge der Ausstellung, initiiert vom Goethe-Institut in Mailand und ausgeliehen nach Berlin, sowie der Forschungen von Voigt, entstanden zahlreiche Interviews mit Betroffenen - bildenden Künstlern, Architekten, Schriftstellern, Musikern - darunter die Bildhauerin Ingeborg Hunzinger und der Sohn des Schriftstellers Armin T. Wegner.
Erst nach dem Staatsbesuch Hitlers bei Mussolini 1938, der "Achse Rom-Berlin" und dem Kriegsbeginn wurden die Flüchtlinge in Lagern in Süditalien interniert, aber auch hier erging es ihnen vergleichsweise erträglich. Erst nach der Besetzung Italiens durch Wehrmacht und SS 1943 wurden deutsche Juden aus Italien in die Vernichtungslager deportiert - knapp 7.000.
Ein Kaleidoskop der Erinnerungen und literarischer Zitate (etwa des italienischen Schriftstellers und Widerstandskämpfers Primo Levi) ergibt das Bild einer Nation, die nicht bereit war, der politischen Verbundenheit ihrer Diktatoren die Mitmenschlichkeit zu opfern.
Gerade in den aktuellen Zeiten der Asylverweigerung in Deutschland und Europa präsentiert Jürgen Tomm gemeinsam mit Klaus Voigt diese zeitgeschichtliche Erinnerung im Sommerprogramm des Buchhändlerkellers.